Persönliche Erklärung zur Einstufung von Georgien und Moldau als sichere Herkunftsstaaten

„Der Bundestag hat am Donnerstag, 16. November 2023, Georgien und die Republik Moldau als sichere Herkunftsstaaten eingestuft. Mit breiter Mehrheit stimmte das Parlament für einen entsprechenden Gesetzentwurf der Bundesregierung.“

https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2023/kw41-de-georgien-moldau-sichere-herkunft-970840

Hierzu habe ich eine persönliche Erklärung abgegeben:

Das Konzept der Sicheren Herkunftsstaaten sehe ich insgesamt kritisch. Es soll dazu dienen, das individuelle Recht auf Asylprüfung für Menschen aus dem jeweilig als „sicher“ geltendem Herkunftsland zu erschweren. Dabei gibt es auch bei bereits jetzt als vermeintlich sicher geltenden Herkunftsländern strukturelle und massive Verfolgung von Menschengruppen. In dieser Erklärung möchte ich mich insbesondere auf LSBTIQ*-Personen beziehen. Der Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) schreibt zu sicheren Herkunftsstaaten: „Eine Einstufung als vermeintlich sicherer Herkunftsstaat bedeutet massive Einschränkungen für Asylsuchende aus diesen Ländern: Es wird unter anderem das Asylverfahren beschleunigt, die Klagefrist gegen einen negativen Asylbescheid auf eine Woche verkürzt und sogar aus einem noch laufenden Asylverfahren abgeschoben. Dies trifft gerade auch lesbische, schwule, bisexuelle, trans*, intergeschlechtliche und queere (LSBTIQ*) Geflüchtete, da sich diese oft bei der Anhörung aus erlernter Angst und Scham nicht outen und ihren triftigen Asylgrund, nämlich die queerfeindliche Verfolgung, gar nicht vortragen!“

Die Ausweitung ganz explizit auf Georgien und Moldau ist höchst problematisch und deswegen lehne ich sie ab. Der LSVD schreibt hier: „In Georgien (wie auch in Moldau) gibt es zwar keine Strafgesetze gegen LSBTIQ*, aber auch hier ist die gesellschaftliche Gewalt und Diskriminierung massiv. Der Staat ist nicht in der Lage oder willens, Schutz vor der Verfolgung zu bieten. Dies wird nicht nur durch Menschenrechtsberichte und -organisationen bestätigt, sondern auch durch zahllose positive Asylbescheide und Gerichtsurteile.“

Seit einigen Jahren beobachte ich eine weltweit schärfere Debattenlage zu den Menschenrechten von LSBTIQ-Personen. Queere Menschen werden als gefährlich oder als Sündenböcke in der Gesellschaft diffamiert. Übergriffe, Beleidigungen, Hetze gegenüber LGBTIQ-Personen sind nach wie vor weit verbreitet. In manchen Ländern versuchen Regierungen diese Gewalt zu beenden, durch eine aktive Antidiskriminierungspolitik. In anderen Ländern gibt es aber auch Gesetze, die diese Gewalt befeuern oder eben eine Untätigkeit, ein Wegschauen der Politik, während LGBTIQ-Personen gesellschaftlicher Ausgrenzung und Gewalt ausgesetzt sind.

Ich finde ebenfalls zutiefst bedenklich, dass der Deutsche Bundestag heute über eine Ausweitung sicherer Herkunftsstaaten abstimmt, ohne dass wir die Länder, die bereits auf dieser Liste stehen noch einmal einer umfassenden Überprüfung in Hinblick auf die menschenrechtliche Lage unterziehen. Sowohl Ghana als auch Senegal stehen derzeit auf der Liste sicherer Herkunftsstaaten, obwohl es in beiden Ländern eine strafrechtliche Verfolgung von homosexuellen Menschen gibt. Ich durfte dieses Jahr eine trans Frau aus Ghana kennenlernen, die mir davon berichtete, dass in ihrer Heimat ein Gesetz vom Parlament beraten wurde, das nicht nur homosexuelle Handlungen bestrafen würde, sondern auch die Identität als queer und divers, also trans oder nicht-binär, kriminalisiert würde. Es stand sogar zur Debatte, dass selbst Angehörige von queeren Menschen ins Gefängnis gehen sollten, wenn sie ihre Verwandten, die queer sind, nicht an die Strafbehörden melden. Die Begegnung mit dieser Frau aus Ghana hat mich tief berührt, aber auch in meinem Bewusstsein bestärkt, dass es Länder auf der Liste „sicherer Herkunftsstaaten“ gibt, die insbesondere für queere Menschen eben nicht sicher, sondern zutiefst gefährlich sind.

Eine solidarische Queer- und Menschenrechtspolitik bedeutet für mich vor dieser Verfolgung und Gewalt nicht die Augen zu verschließen, sich gegen diese zu wehren und mit queeren Menschen aus anderen Ländern zusammenzutun und deswegen lehne ich die heute vorgeschlagene Ausweitung der Sicheren Herkunftsstaaten ab.

Quelle: https://www.lsvd.de/de/recht/rechtsprechung/asylrecht